Samstag, 18. April 2015

SASAKANANAS (einladung zu einer lyrischen expedition)

Ausgelöst durch den Gastlandstatus auf der kommenden Frankfurter Buchmesse wird derzeit Indonesien eines der großen Themen im deutschen Literaturbetrieb. Da ich mich seit Jahren literarische eben damit beschäftige, möchte der Leipziger Literaturverlag aus meinem über vierzehn Jahre gewachsenen lyrischen Material zu Indonesien auch eine deutsche Auswahl veröffentlichen, denn etliche Gedichte sind zwar seit Jahren bekannt und z.T. auch in diversen Magazinen und Anthologien erschienen - einen Gedichtband für den deutschsprachigen Raum gab es davon jedoch bislang noch nicht. (Auch das einigen auch hierzulande bekannte, zweisprachige "Indonesische Sekundenbuch" erschien vor zehn Jahren nur in Indonesien.) Um dieses eigentlich längst überfällige Buch nun passenden zum Indonesienthema veröffentlichen zu können, habe ich eine repräsentative Auswahl aus den besten bzw. bekanntesten Gedichten sowie einiges neue, unveröffentliche Material (sowie einige "Urversionen" manches Texts) unter dem Titel >> sasakananas* << zusammengestellt,  das nun beim Leipziger Literaturverlag erschienen ist und ab sofort bestellt werden kann - ganz einfach HIER!

Es steht zu vermuten, das das schön gestaltete Büchlein des Leipziger Literaturverlags nicht nur eine ungewöhnliche literarische Entdeckungstour wird, sondern auch einen wunderbaren poetischen Einstieg in ein Thema bietet, das uns allen in diesem Jahr noch öfters begegnen wird. Neben einem Geleitwort des legendären indonesischen Dichters Goenwan Mohamad wird es auch einen kleinen Essay enthalten, in dem ich die erstaunliche Hintergrund-geschichte des einen oder anderen Gedichts berichte!


* Wer wissen möchte, was sasakananas eigentlich ist, dem ... empfehle ich - das Büchlein!
:-))

    fotos (c) christoph czarski

Montag, 13. April 2015

Kurze Erinnerung an Günter Grass

Als ich im Sommer 2003 als Gastdozent neueste deutsche Literatur in Jakarta/Indonesien unterrichtete, fragten mich, als die Rede auf Günter Grass kam und ich im Präsens von ihm sprach, die dortigen Germanistikstudenten ein wenig überrascht: "Lebt der denn noch?"
  Für sie war der deutsche Nobelpreisträger ein ferner Klassiker aus einer anderen Epoche (eben der vor 1989 - und literarisch stimmt das ja auch selbst für seine nach 1989 erschienenen Bücher) ...


Eines Frühjahrs durfte ich an seinem alten Schreibtisch, an der er Jahre zuvor seinen Großroman "Die Rättin" geschrieben hatte, als braver Literaturstipendiat meine kleine "Mäuse"-Novelle tippen... Die Lesepremiere fand vor versammelter nordelbischer Dorfbewohnerschaft in der frisch renovierten alten Holzküche des Döblinhauses zu Wewelsfleht statt, in der einstmals all die berühmten Butt-Rezepte ausprobiert worden waren und Grassens echte Rättin (sic!) nebst ihrer Nachfahren die Dielen so sehr zernagt hatten, dass sie eben komplett renoviert werden musste... Das wunderbare, handgeschnitzte bäuerliche Holzhaus am Elbdeich war ja bis 1985 von der Familie Grass bewohnt worden; bis dann 5 km weiter das Kernkraftwerk Brokdorf gebaut wurde - da schenkte Grass das Haus der Berliner Akademie der Künste für deren Stipendiatenprogramm für verhärmte Großstadtdichter und zog mit seiner Familie fort. Der Nussbaum, den Grass angeblich zur Geburt seiner Tochter Helene dort im Garten gepflanzt hat, beherrscht heute in aller Pracht das Grundstück und tritt übrigens auch in meinem Gedicht "sängerkrieg" (siehe "sekundenbuch", S. 97) eine Strophe lang auf:
  ...
      vor meinen fenstern hebt
      der nussbaum seine siegeräste
      in seinen zweigen verglüht
      feierlich breit der abend

 ...
(Natürlich ist es zum Verständnis des Gedichtes völlig unerheblich, welcher Nussbaum mir beim Schreiben in realo vor Augen stand... aber hier sei es passenderweise erwähnt.)

Später geriet ich zu einer Jubiläumsveranstaltung des Döblinhauses in der großen Mehrzweckhalle hinterm Elbdeich mit ihm diskutierend aneinander, als ich ihn aus gegebenem Anlass spontan öffentlich bat, nicht immer so westonkelig für "die Ostdeutschen" zu sprechen, wir könnten ganz gut für uns selbst sprechen und dächten desöfteren was ganz anderes als er der Welt weismachen wollte, das wir dächten... Eiei, das fand er nicht witzig und war für ein paar Stunden echt eingeschnappt. (Thema des Forums war "Literatur und Politik" gewesen und wir jüngeren Autoren hatten auch dazu teilweise doch recht andere Meinungen als der alte Meister.) Zum Glück ist seine Frau Ute eine Arzttochter von Hiddensee, sodass sie mich als gebürtigen Greifswalder ansprach und wir am Ende des Tages und Abends dann doch wieder halbwegs einträchtig beieinander saßen. (Siehe Foto. Das war übrigens kurz vor dem "Häuten der Zwiebel"-Skandal seiner verschwiegenen SS-Mitgliedschaft, er hatte das entscheidende Interview dazu schon gegeben, aber es war noch nicht erschienen und ging erst in der Woche danach hoch.)

In ein, zwei Sätzen kommentiert (d.h. lobt) er übrigens in seinem Roman "Ein weites Feld" auch all die literarischen Erzeugnisse aus meinem heutigen Wohnhaus in Berlin - indirekt, indem er es "Fonty" sagen lässt...

Jetzt ist er verstummt, der streitbare Zausel. Und Oskar Matzeraths Stimme gellt uns für immer in den Ohren.



(c) Foto: Peter Wawerzinek

Freitag, 3. April 2015

kleine kritik der sprachkritik



       
          in der dritten märzwoche


           die auferstehung tobt
           vor euern fenstern
        
           in spröder sprache
           seziert ihr wie immer
           den kommenden weltuntergang

           ich bestaune
           die adern
           der blutjungen birken
           im hof 

 

                                              (1985)