Unter dem Titel "Das Nächste bitte!" hat Stephan
Porombka es kürzlich ausgerufen - das unmittelbar bevorstehende Boomzeitalter
der Literatur. Ja: Boomzeit! Wer hätte das gedacht. Gesponsert von der
Bundeskulturstiftung leitet Prombka einen selbstgebastelten Thinktank namens
LITFLOW, der die deutsche Literatur ab sofort - mit allerlei tönenden
Berlin-Mitte-Events und progressiven Publikationen - in die glorreiche Zukunft
führt: Internet sei dank! Zumindest bis zum Ende des
Förderbewilligungszeitraumes.
Heiß wird diskutiert
und viel, vor allem von westdeutschen und ostküstenamerikanischen
Literaturprofis aus dem Nicht-Bestseller-Bereich. Innovation, Nachhaltigkeit,
Kreativität, aber auch papierunabhängiges Lesen und Schreiben, effektives
Zielgruppenmarketing und gestaltungsoffene, multimediale Vernetzung erreichen
nun - endlich! - auch den dröge vor sich hin dümpelden deutschen
Literaturbetrieb. Der ja bekanntlich einer der am Boden liegendsten der Welt
ist...
Aber alles wird gut,
denn erstaunliche neue Literaturformen wie E-Book, Blog-Print-on-Demand
(demnächst auch in 3D) und Twitteratur befreien Autor wie Leser ab sofort von
den Fesseln des Papiers und der traurigen Einsamkeit des staubmüffelnden
Alleinlesers in seiner Sesselecke. Wie das alles gehen kann und wo die
gesetzlichen Regelungen für die Abrechnung stehen, aber vor allem, wie ab
sofort die neue Strömungs-Literatur zeitgeist- und digitalmarktgerecht zu
produzieren sein wird, das klären nun Porombka und sein weltweites Litflow-Team
aus Hildesheim und den angeschlossenen Goethe-Instituten: Technologisches
Upgrade plus Marketing-Selbstermächtigung für ein hoffnungslos veraltetes Genre
im Zeitalter der digitalen Entgrenzung. Puhhh, das war knapp. Doch noch eine
Chance auf Anschluss! Danke - danke, danke, danke...
KANN MAN JETZT also
mit e-books schneller reich und berühmt werden? Prombka sagt: Die Boomzeit ist
da! Also, wie viel verdient ein deutscher Autor so derzeit? Die Wissenschaftler
Kretschmer und Hardwick von der Universität Bournemouth hatten dazu, gänzlich
unabhängig von Zukunftsweiser Porombka, vor wenigen Jahren etwa 25000 deutsche
und britische Schriftsteller befragt. Deren wichtigste, auch 2012 noch
weitgehend geltende Erkenntnisse: Im Referenz-Jahr 2005 verdienten
professionelle deutsche Autoren im Durchschnitt pro Jahr 12.000 €. (Berufsautor
ist, wer mehr als 50% seiner Arbeitszeit für Geld schreibt.) Das sind 42% des
nationalen Durchschnittseinkommens - weniger als die Hälfte von "Otto
Normalbürger" und "Lieschen Müller".
Die 10% der wenigen
deutschen Autoren von den oberen Plätzen der Bestsellerlisten verdienen 41% des
Gesamteinkommens aller Autoren. Das ist dennoch keine
"GEMA-Situationen" wie bei den deutschen Musikern, denn unsere
Literaturstars liegen dann im Durchschnitt auch immer noch bei nur ca 40.000 €
pro Jahr. Während andererseits über 50% der Autoren mit nur 12% des deutschen
literarischen Jahresgesamteinkommens (DLJG) auskommen müssen. 60% der deutschen
Dichter und Denker haben deshalb einen zweiten ("richtigen") Job, um
ihren Lebensunterhalt zu sichern. (Netzwerkadministrator? Amazonbuchhändler?)
Und: Autorinnen verdienen durchschnittlich 30% weniger als ihre männlichen
Kollegen. (Das entspricht exakt der deutschen Realität in den meisten anderen
Bereichen.)
Höchste Zeit, das
Prombka & Co den Weg in die Zukunft frei machen! Die Boomzeit einer neuen
deutschen Literatur ist nahe! (Sagt Prombka.) Fragt sich noch: Was für einer?
(Und: Warum braucht Porombka für den Boom Fördergelder?)
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