Montag, 8. Oktober 2012

Das Boomzeitalter der Literatur!


Unter dem Titel "Das Nächste bitte!" hat Stephan Porombka es kürzlich ausgerufen - das unmittelbar bevorstehende Boomzeitalter der Literatur. Ja: Boomzeit! Wer hätte das gedacht. Gesponsert von der Bundeskulturstiftung leitet Prombka einen selbstgebastelten Thinktank namens LITFLOW, der die deutsche Literatur ab sofort - mit allerlei tönenden Berlin-Mitte-Events und progressiven Publikationen - in die glorreiche Zukunft führt: Internet sei dank! Zumindest bis zum Ende des Förderbewilligungszeitraumes.
  Heiß wird diskutiert und viel, vor allem von westdeutschen und ostküstenamerikanischen Literaturprofis aus dem Nicht-Bestseller-Bereich. Innovation, Nachhaltigkeit, Kreativität, aber auch papierunabhängiges Lesen und Schreiben, effektives Zielgruppenmarketing und gestaltungsoffene, multimediale Vernetzung erreichen nun - endlich! - auch den dröge vor sich hin dümpelden deutschen Literaturbetrieb. Der ja bekanntlich einer der am Boden liegendsten der Welt ist...
  Aber alles wird gut, denn erstaunliche neue Literaturformen wie E-Book, Blog-Print-on-Demand (demnächst auch in 3D) und Twitteratur befreien Autor wie Leser ab sofort von den Fesseln des Papiers und der traurigen Einsamkeit des staubmüffelnden Alleinlesers in seiner Sesselecke. Wie das alles gehen kann und wo die gesetzlichen Regelungen für die Abrechnung stehen, aber vor allem, wie ab sofort die neue Strömungs-Literatur zeitgeist- und digitalmarktgerecht zu produzieren sein wird, das klären nun Porombka und sein weltweites Litflow-Team aus Hildesheim und den angeschlossenen Goethe-Instituten: Technologisches Upgrade plus Marketing-Selbstermächtigung für ein hoffnungslos veraltetes Genre im Zeitalter der digitalen Entgrenzung. Puhhh, das war knapp. Doch noch eine Chance auf Anschluss! Danke - danke, danke, danke...   
  KANN MAN JETZT also mit e-books schneller reich und berühmt werden? Prombka sagt: Die Boomzeit ist da! Also, wie viel verdient ein deutscher Autor so derzeit? Die Wissenschaftler Kretschmer und Hardwick von der Universität Bournemouth hatten dazu, gänzlich unabhängig von Zukunftsweiser Porombka, vor wenigen Jahren etwa 25000 deutsche und britische Schriftsteller befragt. Deren wichtigste, auch 2012 noch weitgehend geltende Erkenntnisse: Im Referenz-Jahr 2005 verdienten professionelle deutsche Autoren im Durchschnitt pro Jahr 12.000 €. (Berufsautor ist, wer mehr als 50% seiner Arbeitszeit für Geld schreibt.) Das sind 42% des nationalen Durchschnittseinkommens - weniger als die Hälfte von "Otto Normalbürger" und "Lieschen Müller".
  Die 10% der wenigen deutschen Autoren von den oberen Plätzen der Bestsellerlisten verdienen 41% des Gesamteinkommens aller Autoren. Das ist dennoch keine "GEMA-Situationen" wie bei den deutschen Musikern, denn unsere Literaturstars liegen dann im Durchschnitt auch immer noch bei nur ca 40.000 € pro Jahr. Während andererseits über 50% der Autoren mit nur 12% des deutschen literarischen Jahresgesamteinkommens (DLJG) auskommen müssen. 60% der deutschen Dichter und Denker haben deshalb einen zweiten ("richtigen") Job, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. (Netzwerkadministrator? Amazonbuchhändler?) Und: Autorinnen verdienen durchschnittlich 30% weniger als ihre männlichen Kollegen. (Das entspricht exakt der deutschen Realität in den meisten anderen Bereichen.)
  Höchste Zeit, das Prombka & Co den Weg in die Zukunft frei machen! Die Boomzeit einer neuen deutschen Literatur ist nahe! (Sagt Prombka.) Fragt sich noch: Was für einer? (Und: Warum braucht Porombka für den Boom Fördergelder?)
 

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