Welche Textlänge
ist normal? Forscher haben in einer internationalen Studie die Länge des Texts von gut 15.000 Autoren bestimmt.
Ergebnis: Die Deutschen liegen unter dem Durchschnitt!
Es wurden
Essays über sie geschrieben, und in Kulturdokumentationen durften flache Witze
zu dem Thema nicht fehlen - es geht um die Textlänge. So viele Mythen sich um
sie ranken, so wenige belastbare Daten zur Normallänge gab es bislang. Nun
haben Forscher in der bisher größten systematischen Übersichtsanalyse
Orientierung geschaffen.
Viktor Reider
vom Parnass Institute Berlin Prenzlauer Berg und Kollegen werteten knapp 20
Studien aus, in denen die Textlänge oder der Textumfang von mehr als 15.500
Autoren im Alter von 17 bis 91 Jahren von Fachpersonal erfasst wurde. Demnach
ist der durchschnittliche Text im unlektorierten Zustand 9,16 swps (Substanzielle Worte pro Satz) lang,
in überarbeitetem Zustand 13,24. In lektoriertem Zustand erreicht
der Durchschnittstext eine Länge von 13,12 swps, berichten die Forscher
im Fachmagazin "Sprache im Text (Sprit)".
Auch den
durchschnittlichen Umfang errechneten Reider und Kollegen aus den Daten:
Demnach hat der durchschnittliche unlektorierte Text einen Umfang von 9,31 substanzieller Worten
pro Satz, bei Romanen über 300 Seiten erreicht er immerhin einen Wert von 11,66.
Deutsche Autoren
unter dem Durchschnitt
Die höchsten
Längenwerte ergab die Messung in Frankreich. Die durchschnittliche Textlänge in
unlektoriertem Zustand liegt bei den Franzosen bei 10,74 swps.
Schottland kommt mit 10,2 auf Platz zwei. Die deutschen Autoren
haben mit einer Durchschnittslänge von 8,6 etwas kleinere Texte als
der Durchschnitt.
Allerdings
hat der direkte Ländervergleich Schwächen: So schwankt etwa die Gruppenlänge
der einzelnen Studien zwischen 52 bei den Griechen und mehr als 3000 bei den
Italienern. Aus Deutschland wurden 111 Autoren untersucht. Einige Nationen
waren in mehreren Studien vertreten, mit unterschiedlichen Ergebnissen (siehe Abb.). Da die meisten Teilnehmer aus den analysierten Studien kaukasischer
Herkunft sind, ließen sich keine Unterschiede zwischen Kulturräumen
untersuchen. Mit Kaukasiern sind in der Studie Europäer, Südasiaten und
Nordafrikaner gemeint.
Es gibt
immer wieder Gerüchte, dass sich die Textlänge an anderen anatomischen
Merkmalen ablesen lasse, etwa an der Länge der Nase im Vergleich zur Dotierung
bisheriger Preise oder der Länge des Zeigefingers im Verhältnis zur Anzahl
bisheriger Veröffentlichungen. Die Wissenschaftler fanden jedoch keinen
Zusammenhang zwischen der Textlänge, der Marke des Handys, der Zeigefingerlänge,
der Anzahl der Stipendien oder dem Alter. Lediglich beim Verhältnis von Körper-
und Textlänge im lektorierten Zustand entdeckten sie eine schwache Korrelation.
Sprich: Große Autoren haben tendenziell einen längeren Text.
Auch
unterdurchschnittliche Werte sind normal
"Wir
glauben, dass unsere Daten helfen werden, die große Mehrheit der Autoren davon
zu überzeugen, dass ihre Textlänge im normalen Bereich liegt", erklärt
Reider. Man müsse sich klar machen, dass bei normaler Verteilung die Hälfte der
Bevölkerung einen kleineren Text hat als der Durchschnitt. Auch Werte unterhalb
von 9,16 swps sind demnach kein Grund zur Sorge. Laut Wolf Buhmann vom
Berufsverband der deutschen Texterzeuger reicht die Spanne dessen, was normal
ist von 7,5 bis 19 im Ruhezustand, "wobei es deutlich mehr
7,5er als 19er gibt."
Autoren
schätzen ihre Textlänge häufig zu negativ ein. Eine Online-Befragung mit mehr
als 52.000 Probanden ergab etwa, dass 85 Prozent der Leser zufrieden mit der Textlänge
ihres Autors waren, aber nur 55 Prozent der Autoren mit ihrer eigenen Textlänge.
Nun wollen
die Forscher anhand ihrer Daten genauer untersuchen, wie sich
Selbsteinschätzung und Realität unterscheiden. Außerdem sollen die Daten
helfen, Bücher herzustellen, die noch besser sind.
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