Wenn man von Portland aus die Landstraße nach Westen nimmt,
gelangt man durch bewaldete Bergzüge vorbei an goldschimmernden Weinhügeln in
etwa zwei Stunden an die Küste. Vorher frühstückten wir aber noch in der
Portland-Variante: An einem Stand des dicht bevölkerten hiesigen Ökomarktes (vgl.
Kollwitzplatz, hier jedoch mitten auf dem Uni-Campus-Gelände mitten in der
Stadt!) gibt es (open air!) feinste biologische Burgerkompositionen aus
erlesensten lokalen Zutaten und Kräutern (natürlich alles garantiert glutenfrei!)
für die man (zu Recht!) eine halbe Stunde anstehen muss – selten so amerikanisch
& köstlich zugleich (warm!) gefrühstückt… Oregonian breakfast im Stehen mit Live-Musik
von den farmers market Freaks (während die Lokalpresse bereits über meine ungewöhnliche, fast 25-jährige Freundschaft mit Kevin berichtet)...
Bevor wir dann auf unserer ca.
zweistündigen Autofahrt die Küste erreichen, halten wir an einer kleinen rotbraunen
Hütte am Straßenrand – das ist das legendäre Otis Café, nicht nur einer der gerühmtesten Frühstücksplätze von ganz Oregon
- mitten in der Pampa. Und tatsächlich, drinnen ist es gerappelt voll (obwohl
es ringsum keine Ortschaft gibt). An den Wänden des gemütlichen Häuschens
wimmelt es von Souvenirs und lobenden Zeitungsartikeln aller überregionalen großen
amerikanischen Tageszeitungen über diesen Ort, und die überaus familiäre
Bedienung kredenzt uns an der Bar (anderswo ist kein Platz zu finden) gut
gelaunt Kaffee mit köstlichem Marionberry
Kuchen.
Am Neskowin Beach erreichen wir schließlich den Pazifik. Sonne und Wind zaubern für uns
in dieser freundlichen Bucht mit dem schier endlosen breiten Sandstrand (ganz
ohne Muscheln, die Strömung reißt sie
alle mit) eine ganz besondere Atmosphäre aus Gischtnebel und Licht. Kurz vor dem
Strand liegt buckelig und imposant eine kleine Felseninsel im Sand, die vollständig mit zauseligen Waldbäumen
bewachsen ist, man könnte hin waten. Kevin und ich stimmen überein: Man bringe
uns einen bequemen Stuhl! Und ab und zu einen heißen Tee mit etwas gutem Gebäck
vorbei. Wir verbrächten den Rest unserer Tage damit, von hier aus schweigend
auf das Meer zu blicken und den Wellen beim Kommen und Gehen zuzusehen… Die windflüchtenden Pinien und die Holzhäuser
in den Dünen geben mir ein vertrautes Gefühl – nur dass diese „Ostseeszenerie“ irgendwie zehn Nummern größer ist und Wind
und Sonne mit ganz anderer Macht auftreten als zuhause. Hier kann man schnell
verloren gehen in der weiten, grellweißen Lichtsuppe. Was Lisa und mich nicht
daran hindert unsere Schuhe auszuziehen und fröhlich durch die pazifischen Wellenausläufer
zu patschen.
Am Tag darauf fährt mich Kevin (exakt Prof. Dr. Dr. Randolph Kevin Hill) auf den alten Indianerpfaden der Interstate Nr. 5 von Portland über Salem
hinunter nach Eugene/Oregon. Hier werde ich im Hotel nahe des Universitäts-Campus‘
einquartiert und am nächsten Morgen holt mich Matthias Vogel von der University of Oregon zu einer Tour durch
das Studentenstädtchen mit der wichtigsten Uni des Bundesstaates ab. Der sehr
weitläufige Campus besitzt neben wenigen älteren Gebäuden eine auffällig große
Zahl modernster und großzügigst ausgestatteter Gebäude für nahezu jeden
Wissenszweig (von Kernphysik mit unterirdischem Teilchenbeschleuniger über eine
eigene tägliche Campuszeitung der Journalisten bis zu einem Theater mit Werkstätten
und allen Schikanen): Das relativ kleine Eugene
ist „home of NIKE“ und hat deswegen
auch einige potente Sponsoren für Wissenschaft, Kunst und Kultur – insbesondere
jedoch für den Sport (Leichtathletik, Basketball usw.) – die teilweise noch im
Bau befindliche Studententurnhalle wirkt dann auch geradezu wie ein sanfter
Palast der Körperertüchtigung im Internetzeitalter. Doch auch viele Lehrgebäude
wirken cool-schick und bequem-hypermodern wie experimentelle Kunstmuseen; und
im teuersten Studentenwohnheim (72 Millionen Dollar, 450 Bewohner) der Gegend
gibt es neben einem großen lodernden Glas-Kamin im Foyer auch eine Bibliothek
mit eigener Präsenz-Bibliothekarin und Studier-Lounges mit edler
Wohnzimmeratmosphäre (nicht zu vergessen eine gemütliche, anmietbare Tresenküchen-Empore
für Partys, eine weitläufige Cafeteria, bestens ausgestattete Lehrkabinette, Terrassen
etc. pp.)… Downtown Eugene treffe ich dann zwischen den lokalen Pflasterpunks
(„mall rats“) und ihren ähnlich verpeilten Haus(??)tieren auf den ein Buch lesenden Ken Kesey (der Verfasser von „Einer flog über das Kuckucksnest“
verbrachte hier seinen Lebensabend). Und in einem Supermarkt entdecke
ich den in Scheiben geschnittenen van
Gogh (siehe Bild oben) im Käseregal – geht es hier um sein Ohr?
Die Lesung/Vorlesung in Eugene findet
dieses Mal in einem gut gefüllten Hörsaal voller zumeist nicht Deutsch
sprechender Studenten verschiedenster Studienrichtungen statt; es herrscht eine
konzentrierte Atmosphäre, die mir sagt, dass die meisten offenbar zum ersten Mal Details
über East-Germany etc. erfahren. Die Diskussion findet jedoch auf erfreulich hohem
Niveau statt – ebenso wie das anschließende Treffen beim Edel-Italiener von
Eugene mit den überaus angenehmen Kollegen von der hiesigen Deutschfakultät
(danke Susan, Alex, Wolfgang und Judith). Eugene erweist sich als eine relativ
kleine, grüne Stadt am Willamette River
mit einer bemerkenswert starken, topmodernen und in jeder Hinsicht angenehmen
Universität.
Die Heimreise wird lang: Vom Nordwesten
der USA muss ich zunächst wieder an die Westküste. Matthias Vogel, der gute
Geist von Oregon, der mich freundlicherweise vor seinem Arbeitstag an der Uni frühmorgens
noch zum Flughafen bringt, kommt vor Schreck eine Stunde zu früh und klingelt
mich schon 4:15 Uhr aus dem Hotelbett… Mein amerikanisches Frühstück (Oatmeal und
Burger) bekomme ich dann in Los Angeles – auf dessen Flughafen ich mich für
drei Stunden rumtreibe, ehe ich (im Reisekoma) weiter nach Washington fliege.
Abends um acht lande ich schließlich auf dem nationalen Ronald Reagan Airport, den ich mittlerweile gut kenne - allerdings fährt die blaue Metrolinie heute
nicht: Am elften Elften ist in den USA weder Karnevalsbeginn noch Martinstag,
sondern veterans day! An dem man für
einen Tag symbolisch und mit viel demonstrativer Emotion all der Helden militärischer
Aktivitäten gedenkt. Deswegen gibt es auf der national mall Massenkonzerte mit Rihana, Eminem, Bruce Springsteen und andern Größen der hiesigen Popkultur – die Washingtoner Innenstadt ist folglich gesperrt
und mit mehr als 800 000 Leuten überlaufen (ganz wie am Tag der deutschen Einheit
die Straße des 17. Junis in Berlin). Ich schaffe es dennoch in einer guten halben
Stunde (mit einer anderen Metro) hinaus bis nach Potomac/Maryland, wo mich Katharina Rudolf und ihre kleine Tochter
Viktoria (3) für eine Nacht in ihrem gemütlichen ruhigen Haus aufnehmen – gewissermaßen
eine Rahmenhandlung der Freundlichkeit, denn Katharina hatte mich ja schon ganz
am Beginn dieser Tour in Washington willkommen geheißen. (Katharina zeigt mir Fotos von dem Hirsch, der
es sich gestern im Garten hinterm Haus gemütlich gemacht hat.)
Und dann: Start zum Flughafen am frühen Nachmittag, Ankunft in
Berlin 9 Uhr am nächsten Morgen.
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