Folgende persönliche Bekenntnisse einer Leserin konnte man jüngst auf der Leserseite der ZEIT unter dem Titel "Neujahrsträume" lesen: "Ich träume von einer Welt, in der die Menschen das Licht ausschalten, wenn sie einen Raum für länger als einen Augenblick verlassen, in der sie alle Geräte mit Stand-by-Funktion ganz ausschalten, wenn diese nicht in Gebrauch sind (am besten einfach mit einer Steckdosenleiste mit Kippschalter), in der sie die Heizung ausmachen, wenn die Fenster offen sind." Der Text geht noch weiter. Es wird im gleichen Ton unter anderem davon geträumt, das "überhaupt keine" unwürdigen tierischen Produkte mehr gekauft werden sollen und "nur noch fair gehandelte Kleidung"; und dass die Deutsche Bahn bitte keine Schokoladentäfelchen mehr als Entschuldigung für mehr als sieben Minuten Verspätung verteilen solle. Zum Schluß zeigt uns die Verfasserin mit bittersüßem Witz, dass sie sich der Unerfüllbarkeit ihrer Träume bewusst ist, indem sie schreibt: "Und ich träume davon, fliegen zu können." Ihre Name (Gesche Hübner) lässt vermuten, dass es sich nicht um einen Teenager handelt, aber wer weiß... Das Problem: Dieser Text, das lässt sich dem Veröffentlichungskontext entnehmen, ist bis auf den letzten Satz nicht ironisch gemeint. Und er wurde von der Zeitungsredaktion eines Intelligenzlerblattes unter -zig anderen Möglichkeiten als Neujahrsgruß der Leser an die Welt ausgewählt und an zentraler Stelle veröffentlicht. Es gibt Gesche Hübner vermutlich tatsächlich. Und es gibt diese Zeitungsredaktion. Es gibt diese Wunschträume! - - Warum nur blicke ich verängstigt und ungetröstet in dieses verregnete junge Jahr vor meinem ungeputzen deutschen Hauptstadtfenster?
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