Santiago –
Freitag/Samstag, 16./17. November
Nachdem der Tag mit Aktivitäten am Schreibtisch und auf dem
Fahrrad erfüllt war, fuhr ich abends mit Julio durch ein paar Seitenstraßen des
Viertels ins „Institut für erweiterte Studien der Universität Santiago de
Chile“: Ein verwinkeltes Haus mit freundlichen kleinen Innenhöfen und einem Auditorium.
Nach und nach trudeln die Freunde und Mitglieder von Casa Grande ein, Hausherr Felipe
begrüßt uns und gegen 19:30 Uhr startet meine Lesung vor etwa 30 Zuhörern. Es
scheint in Chile eine genaue Vorstellung vom Amt eines Dichters zu geben, die
mir leider nicht ganz klar sind. Die Stimmung wird aber erstaunlich schnell
dialogisch und bewegt, denn schon die Erfragung meiner persönlichen Geschichte
erzeugt allerlei Erstaunen; offenbar sind die Vorstellungen über das Leben in
Ostdeutschland doch erheblich anders, als das, was ich zu berichten habe. Zum
Vorlesen haben wir zunächst die sechs Texte, die Natalia González de la Llana schon 2004 ins Spanische übertragen hat, sowie vier neue
Übersetzungen von Julio Carrasco. Alles in allem eine wilde, eher
un-repräsentative Mischung, von der zwei (von den Übersetzern ausgewählte)
Liebesgedichte und natürlich Malaria
am besten ankommen (die wir standesgemäß deutsch, spanisch und englisch
vortragen), da gibt es dann glänzende Gesichter. Beifall, Gespräche, etliche der Zuhörer
sprechen deutsch und fragen nach Büchern und CDs… (Leider macht der Akku der
Kamera pünktlich zum Ereignis schlapp, aber Cristobál von casa grande zeichnet alles auf - was mit einem Tablet-Computer
ausgeführt übrigens ziemlich albern aussieht.)
Anschließend zieht der Tross im längeren
Fußmarsch ins Rapa Nui, einer
angesagten Eckkneipe dieser Gegend, deren Beliebtheit sich für einen Außenstehenden
nicht wirklich erklären lässt, die aber alle Eigenschaften einer guten
Santiagoer In-Kneipe aufweist: Es ist rappelvoll (man muss irgendwo auf einem
Eckchen stehen, Sitzplätze sind definitiv nicht zu bekommen) und extrem hallig
und laut (man redet hier prinzipiell lauter als in Berlin), es gibt aber außer
Leuten nichts zu sehen. Beste Voraussetzungen also für einen
Nicht-Spanischsprechenden, ein paar Kommunikationsschwierigkeiten zu bekommen. Zum Glück
finden sich eine Dichterin und zwei Maler, die bei einer Piscola und
Dörrfleischsandwiches auch dicht an dicht stehend und mit ständiger Übersetzung
eine lange Diskussion mit mir führen wollen; es geht vor allem um Chile und
seine europäischen Einflüsse - die mir zumindest in Santiago stärker zu sein
scheinen, als den Chilenen bewusst ist (vor allem findet man hier atmosphärisch
das alte Europa wieder, das „Gendarmenmarkt-Europa“
, das in Berlin, bedingt durch die Verheerungen zweier Kriege, kaum noch aufzufinden
ist), im Rest des durch die Kultur- und Klimazonen langgestreckten Landes mag
das anders sein. Wieder höre ich etliche Familiengeschichten mit deutschen
Komponenten; Namen wie Gonzales-Peschel mögen sich für unsere Ohren seltsam
anhören, sind in diesem Land aber offenbar sehr gewöhnlich, ja fast Standard. Was nicht
heißt, das Leute mit solchen Namen dann auch Deutsch sprechen können (in der Regel
eher nicht).
Am Samstag mache ich mich dann mit der Metro auf zum Busbahnhof; von dort fahren billige und sehr bequeme Überlandbusse – meiner bringt mich an die Pazifikküste: Nach Valparaíso. Der Weg auf dem Highway hinaus aus der Stadt führt in trockenes Bergland; die Sonne strahlt – ein perfekter Tag für einen Ausflug ans Meer. Überall an den Hängen und Straßenrändern blüht der sonnengelbe Andenmohn in allen Schattierungen, dazu die Blütenteppiche wilder Kapuzinerkresse – was für wunderbare Farbteppiche in der an sich staubbraunen Landschaft. Überhaupt: Die Farben der Blüten sind hier generell sehr kräftig und klar, strahlendes Pink, knalliges Gelb, leuchtendes Rot, bei uns sieht das zarter aus. Als meinten die Blumen hier: Wenn schon in dieser kargen Landschaft blühen, dann aber richtig. Vielleicht liegt es ja auch an dem kräftigen Wind, der hier unentwegt zwischen den Bergen weht. Es gibt deswegen auch auffallend wenige Insekten – angenehm für uns, aber vermutlich problematisch für die Pflanzen. Da müssen sie sich etwas einfallen lassen: Hier sind die Farben! Denn eigentlich weht hier immer ein recht kühler Wind (morgens muss man sich für draußen wirklich warm anziehen), aber die Sonne scheint gleichzeitig auch sehr kräftig. Dieser Kontrast zwischen kaltem Gebirgswind und der heißen Sonne der südlichen Subtropen scheint typisch für diese Gegend zu sein. Man kann sich hier also richtig erkälten und gleichzeitig einen Sonnenbrand bekommen.
Die Bussitze sind so bequem und der Bus tuckert so sanft auf der sonnenbeschienenen Landstraße Richtung Küste, dass ich unwillkürlich einnicke und als ich wieder aufwache, fahren wir schon in Valparaíso ein. Ringsum sanfte Hügel, die über uns über mit kleinen Häuschen in allen erdenklichen Farben bebaut sind. Unten in der Stadt ein Straßen-Flohmarkt, auf dem gebrauchte Kleidung gehandelt wird. Ich steige ausgeruht aus dem Bus und springe in ein Taxi, das mich bereitwillig hinauf in die Hügel fährt und vor La Sebastiana wieder ausspuckt. Zwar ist der hiesige Direktor der Fondacion Pablo Neruda heute nicht im Haus, da Samstag ist, aber ich bin eingeladen, Nerudas Haus in Valparaíso auf eigene Faust zu erkunden… Der chilenische Weltstar der Poesie wusste, wie man es sich schön macht: Noch mehr als das Haus in Santiago erscheint der winklige, fünfstöckige Bau wie ein Schiff – und diesmal kann man auch tatsächlich aufs Meer blicken. Unter uns erstreckt sich die Bucht von Valparaíso – der Pazifik! (Jetzt bin ich tatsächlich an der westlichsten Kante der eurozentrischen Landkarten angelangt… und winke mir in Gedanken selbst über den Pazifik zu, als ich zwei Jahre zuvor am Ostkap von Biak in Papua den bis dato östlichsten Punkt meiner Reisen erreichte… Fehlt nur noch die weite, heiße Südsee, dann habe ich den Globus peu a peu umrundet. Kein ganz schlechter Gedanke!)
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Am Samstag mache ich mich dann mit der Metro auf zum Busbahnhof; von dort fahren billige und sehr bequeme Überlandbusse – meiner bringt mich an die Pazifikküste: Nach Valparaíso. Der Weg auf dem Highway hinaus aus der Stadt führt in trockenes Bergland; die Sonne strahlt – ein perfekter Tag für einen Ausflug ans Meer. Überall an den Hängen und Straßenrändern blüht der sonnengelbe Andenmohn in allen Schattierungen, dazu die Blütenteppiche wilder Kapuzinerkresse – was für wunderbare Farbteppiche in der an sich staubbraunen Landschaft. Überhaupt: Die Farben der Blüten sind hier generell sehr kräftig und klar, strahlendes Pink, knalliges Gelb, leuchtendes Rot, bei uns sieht das zarter aus. Als meinten die Blumen hier: Wenn schon in dieser kargen Landschaft blühen, dann aber richtig. Vielleicht liegt es ja auch an dem kräftigen Wind, der hier unentwegt zwischen den Bergen weht. Es gibt deswegen auch auffallend wenige Insekten – angenehm für uns, aber vermutlich problematisch für die Pflanzen. Da müssen sie sich etwas einfallen lassen: Hier sind die Farben! Denn eigentlich weht hier immer ein recht kühler Wind (morgens muss man sich für draußen wirklich warm anziehen), aber die Sonne scheint gleichzeitig auch sehr kräftig. Dieser Kontrast zwischen kaltem Gebirgswind und der heißen Sonne der südlichen Subtropen scheint typisch für diese Gegend zu sein. Man kann sich hier also richtig erkälten und gleichzeitig einen Sonnenbrand bekommen.
Die Bussitze sind so bequem und der Bus tuckert so sanft auf der sonnenbeschienenen Landstraße Richtung Küste, dass ich unwillkürlich einnicke und als ich wieder aufwache, fahren wir schon in Valparaíso ein. Ringsum sanfte Hügel, die über uns über mit kleinen Häuschen in allen erdenklichen Farben bebaut sind. Unten in der Stadt ein Straßen-Flohmarkt, auf dem gebrauchte Kleidung gehandelt wird. Ich steige ausgeruht aus dem Bus und springe in ein Taxi, das mich bereitwillig hinauf in die Hügel fährt und vor La Sebastiana wieder ausspuckt. Zwar ist der hiesige Direktor der Fondacion Pablo Neruda heute nicht im Haus, da Samstag ist, aber ich bin eingeladen, Nerudas Haus in Valparaíso auf eigene Faust zu erkunden… Der chilenische Weltstar der Poesie wusste, wie man es sich schön macht: Noch mehr als das Haus in Santiago erscheint der winklige, fünfstöckige Bau wie ein Schiff – und diesmal kann man auch tatsächlich aufs Meer blicken. Unter uns erstreckt sich die Bucht von Valparaíso – der Pazifik! (Jetzt bin ich tatsächlich an der westlichsten Kante der eurozentrischen Landkarten angelangt… und winke mir in Gedanken selbst über den Pazifik zu, als ich zwei Jahre zuvor am Ostkap von Biak in Papua den bis dato östlichsten Punkt meiner Reisen erreichte… Fehlt nur noch die weite, heiße Südsee, dann habe ich den Globus peu a peu umrundet. Kein ganz schlechter Gedanke!)
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Valparaíso ist ein Traum, denn die
Hügel hinunter zur weiten Hafenbucht sind mit so bizzar bunten Häuservierteln
bedeckt, dass die UNO die Stadt schon vor Jahren zum Weltkulturerbe erklärte.
Ich genieße das wunderbare Anwesen mit einem duftenden Berggarten und einer kleinen
Poesiebibliothek mit einer einzigartigen Aussicht. In den Bäumen flöten muntere Vögel; immer wieder kann man in Chile selbst
im dichtesten Verkehr schöne Vogellieder aus den Bäumen hören, nur gesehen habe
ich diese Vögel hier niemals. Im Café nebenan esse ich eine heiße Empanada und
trinke Kaffee, dann laufe ich, umweht von allerlei Blumendüften, im
Sonnenschein durch die steilen Gassen der kleinen bunten Häuser bis hinunter Richtung Hafen. Es gibt immer neue Panoramablicke von alltagspoetischer
Schönheit zu entdecken und ich frage mich, ob man sich glücklicher fühlt als andere, wenn
man hier lebt (und denke: ja).
Unten an der Küstenstraße dann die Ernüchterung: Statt, wie ich gehofft hatte, ans Meer zu gelangen, um den Pazifik zu begrüßen, sehe ich mich eine rauhen Eisenbahntrasse und einem streng umzäunten Industriehafen gegenüber; es wird also bei den schönen Ausblicken von oben auf das Meer bleiben. Ich streune noch eine Weile durch die samstägliche Altstadt und gelange dann fast von selbst zurück zum Busbahnhof, wo schon ein gemütlicher Überlandbus nach Santiago auf mich wartet, der mich auf der Rückfahrt durch blühende Berghänge im Abendlicht in einen sanften Schlummer wiegt…
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Unten an der Küstenstraße dann die Ernüchterung: Statt, wie ich gehofft hatte, ans Meer zu gelangen, um den Pazifik zu begrüßen, sehe ich mich eine rauhen Eisenbahntrasse und einem streng umzäunten Industriehafen gegenüber; es wird also bei den schönen Ausblicken von oben auf das Meer bleiben. Ich streune noch eine Weile durch die samstägliche Altstadt und gelange dann fast von selbst zurück zum Busbahnhof, wo schon ein gemütlicher Überlandbus nach Santiago auf mich wartet, der mich auf der Rückfahrt durch blühende Berghänge im Abendlicht in einen sanften Schlummer wiegt…
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Freut mich, dass du jetzt meine Übersetzungen verwenden konntest. Hoffentlich geht es dir gut. :)
AntwortenLöschenNatalia
liebe natalia, ja, deine übersetzungen kamen in santiago zum einsatz! (vorher aber auch schon mal in barcelona.) es gibt nun auch ein paar aktuelle, z.t. von dichtern und studenten vor ort erstellt. - wo steckst du denn inzwischen? -- herzlich, martin.
LöschenHallo Martin, ich unterrichte Literatur an der Romanistik der RWTH Aachen, also bin immer noch in Deutschland... Liebe Grüsse, Natalia
AntwortenLöschenhola jankowski como va la vida?
AntwortenLöschensaludos de los Füchse que cantan en llafenko!