Sonntag, 4. November 2012

mauerpark (freiluftgedicht)


als ich ein kind war gab es hier kein gras
statt birken standen wachtürme unter den grauen wolken
und wo nun die vielsprachigen rufe der ballspieler durch die luft fliegen
patroullierten einst bewaffnete mit schäferhunden im frisch geharkten sand
des todesstreifens

jetzt liegen wir sonntags lässig am wiesenhang inmitten der stadt
und johlen zu den pophits der karaokesänger auf der freiluftbühne
jongleure jazzbands und getränkehändler tummeln sich unter uns
zwischen fahrradfahrern drachenbändigern und familienpicknicks

möchten sie vielleicht einen gipskopf von karl marx (leider ohne nase)
wir haben auch hitlers rasiermesser und stalins pelzmütze günstig im angebot
sagt der in paris geborene kongolese zum chinesischstämmigen studenten aus peru und seiner polnischen freundin (die erst kürzlich nach berlin gezogen sind)

das baby im tragetuch seines feilschenden vaters
weiß nicht woher der mauerpark seinen namen hat
(vielleicht von der freundlichen stadionmauer voll bunter graffitis?)

früher habe ich berlin diese blutende wunde des hasses immer gemieden
jetzt aber leb ich gern auf diesem beispiellosen flohmarkt tanzender relikte
voller ankommender träumer mit großen herzen und wenig geld

ein babylonischer triumphzug der neugierigen bedeckt plappernd die narben
des gigantischen flickenteppichs meiner geschichte
namens berlin

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